
Neurosen des White Cubes
Neurosen des White Cubes. Neonregister (2010)
Konzertinstallation von Lea Letzel und Fabian Offert.
Wenn der „White Cube“ der Raum für die Ausstellung von bildender Kunst ist und die „Black Box“ der Raum für die Aufführung von Theater ist – was ist dann der Raum für Musik?
Ausgehend von dieser Frage nach dem Aufführungsort von Musik thematisieren wir in Neurosen des White Cubes drei grundlegende Paradigmen des Kunstraums. Das Bühnenbild ist dabei nicht Bühnenbild im klassischen Sinne, nicht Verstärkung, Illustration oder Kommentar einer Narration, sondern gleichermaßen Form und Inhalt des Konzerts.
In die „Black Box“ des Theaters wird eines der zentralen Elemente des „White Cubes“ übernommen: die Leuchtstoffröhre. Sie garantiert die ideale und als neutral verstandene Beleuchtungssituation für die Ausstellung von Kunstwerken. Meist unter der Decke angebracht, ist ihr klares Licht das Pendant zur neutralen weißen Wand: Zusammen sollen sie die Kunstwerke ohne Ablenkung erfahrbar machen. Indem wir die Leuchstoffröhre bewusst in die „Black Box“ deplazieren, lenkt sie den Blick jedoch auf eben diese fragwürdige Neutralität, lässt die ästhetische Beschaffenheit beider „Leerräume“ im Wortsinne aufblitzen. Die verwendeten Leuchstoffröhren wurden dementsprechend in einer der eigentlichen Konzertinstallation vorausgehenden Aktion (Prolog) in Chieming am Chiemsee zum Preis von 99 Euro als vollständige Beleuchtung einer Lagerhalle zur Überwinterung von Yachten erworben und nach Gießen transportiert.
Gleichzeitig untersucht die Arbeit den Zusammenhang von Klang und Bild – eben durch die Eigenheiten der beiden „Neutralräume“. So dient das verzögerte Aufflackern der Leuchstoffröhren als Mittel, die Synchronisation von Klang und Bild (einerseits in der Wahrnehmung des Zuschauers, andererseits als Propagandalüge des Opernbetriebs), auf die Probe zu stellen. Wie Heiner Goebbels über die Arbeit schreibt:“Ein sich selbständig machendes einzelnes Element – wie z.B. die 36 Leuchtstoffröhren, die im Probebühnenhimmel hängen und in nicht schlüssig nachvollziehbarem Zusammenhang zu den Klavierakkorden aufflackern und wieder erlöschen – konfrontiert hier unser Sehen mit dem Hören und wir versuchen dieses zu synchronisieren.“
Schließlich hinterfragt die Arbeit die Rolle der Bühnentechnik als „unsichtbare Maschinerie“ der Aufführung. Indem wir diese nicht verbauen (Im Doppelsinne eines Einbaus und einer Verstellung des Blicks), sondern offen zeigen und die Arbeit nach dem Ende des Konzerts als Installation zugänglich machen, wird die Präsenz von Kabeln und Motoren zum Teil der ästhetischen Erfahrung – ebenso wie das Summen des durch die unzähligen Leitungen fließenden Stroms, das den musikalischen Puls des Konzerts bildet.
Konzept und Spiel: Lea Letzel Programmierung und Entwicklung: Fabian Offert
Grundsätzliches Verfahren:
Die technische Realisierung des Konzepts beruht auf einer speziell für diesen Zweck geschriebenen Software, die die Anschläge des E-Pianos, das über ein Midi-Interface mit einem Computer verbunden ist, in Signale für ein Lichtinterface (LanBox) einerseits, und ein Motorinterface (programmierter Mikrocontroller) andererseits umwandelt. Diese Software ermöglicht es der Pianistin ebenso, durch eine grafische Ausgabe über die exakte Dauer des verzögerten Starts der Leuchstoffröhren informiert zu sein, und diesen in ihrem improvisierten Spiel zu reflektieren. Die Software wurde in Max/Msp und Processing geschrieben, die Programmierung des Mikrocontrollers erfolgte in C. Die Ansteuerung der Servomotoren erfolgt über ein ebenfalls speziell entworfenes Hardware – Interface.
32 der 40 Lampen sind mit 32 Tasten auf der Klaviatur verbunden. Schlägt man eine dieser Tasten des Klaviers an, leuchtet die entsprechende Lampe auf. Aufgrund der Verzögerung, mit der die Lampen auf den Klaviaturanschlag reagieren, zeigt sich die visuell wahrnehmbare Struktur der Musik.
Der musikalische Klang ist der geometrischen Struktur untergeordnet, in der die Lampen im Raum angeordnet sind.
Die Performance liegt bisher in zwei unterschiedlichen Teilen vor: Als Version für die Blackbox und eines Theaters und als Outdoorvariation für Heizöltank für die besonderen Bedingungen des Festivals Junger Talente 2010 auf dem EVO- Gelände Offenbach.
Premiere: 13.Juli 2010, im Rahmen der Theatermaschine 2010, Probebühne des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft, Gießen
weitere Aufführungen: 25.Juli 2010, Sturm und Klang Festival, Probebühne des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft, Gießen /
10.-12.September 2010, Festival Junger Talente, EVO Gelände, Offenbach – Variation für Heizöltank (Outdoor)
27.Februar 2011, Frankfurt LAB